Das Gesicht als Geldbörse 2.0?

Der neue Paypal-Service zur Bezahlung mit Gesichtserkennung im Reality-Check

Der Online-Zahlungsanbieter Paypal gab letzte Woche bekannt, aktuell eine innovative Variante im Bereich bargeldloser Bezahlung in Berlin zu testen – die Bezahlung per Gesichtserkennung. In dem Pilotprojekt erprobt Paypal die „Check-In“-Lösung in Cafés, Restaurants und Bars in der Nähe des Rosenthaler Platzes. Die Bezahltechnologie soll später auf weitere Ladengeschäfte und Supermärkte ausgeweitet werden. Sascha Breite, Head Future Payments bei SIX Payment Services unterzieht den neuen Vorstoß einer Realitätsprüfung.

Alternative Zahlungsmethoden stehen vor dem Problem, dass sie eine kritische Masse an Nutzern brauchen. Der Zeitpunkt für innovative, mobile Ansätze scheint günstig, da die Verbraucher mittlerweile mehr Smartphones als herkömmliche Mobiltelefone nutzen. Im neuen Verfahren meldet sich der Kunde über die Paypal-App in dem Geschäft an, in dem er sich gerade befindet. Daraufhin erscheint im Shop-System dessen Name und Foto. Zur Identifikation genügt das Gesicht des Kunden. Der Kunde bestätigt den geforderten Betrag nur durch einen Klick. Auch der Ladenmitarbeiter quittiert mit seinem Smartphone oder Tablet die Transaktion. Die Lösung richtet sich an die jüngere, mobile Generation, die einen ungezwungenen Umgang mit ihren persönlichen Daten pflegt. Das lässige Image, eine einfache und komfortable Bedienung und positive Erfahrungen mit dem Service könnten zu einem Wandel bezüglich der bevorzugten Zahlungsweise führen.

Eine Schwierigkeit sehe ich im Hinblick auf die Kundendaten: Nicht nur der Zahlungsvorgang selbst wird gespeichert, sondern auch Gegenstand der Transaktion, Ort und Zeit. Damit bedient das Unternehmen einen Trend im Marketing: Sogenannte „Big Data“-Projekte, die dazu dienen, Kundendaten zu sammeln. Je mehr Kundendaten jemand besitzt, desto besser kann er seine Marketing-Aktivitäten darauf zuschneiden. Manche Verbraucher sehen es vielleicht als Vorteil, in der Folge individualisierte Angebote zu erhalten, doch die meisten wollen ihre Daten lieber für sich behalten.

Eine weitere Hürde in Bezug auf den Erfolg der Lösung besteht aus meiner Sicht darin, dass die derzeitige Paypal-Lösung nicht optimal in die Ladenumgebung zu integrieren ist. Momentan muss der Kassierer noch ein separates Gerät, wie ein iPad oder Touchpad bedienen, um die Lösung zu nutzen. Das mag für kleinere Unternehmen funktionieren, aber das ist aktuell kein Industriestandard für schnelles Kassieren. Ganz zu schweigen davon, dass die Geräte kaputt gehen oder entwendet werden könnten.

Für beteiligte Händler im Payment-Markt ergeben sich außerdem interessante Möglichkeiten am Point of Sale für das Efficient Consumer Response (ECR). Hersteller und Händler arbeiten zusammen, um Kosten zu reduzieren und die Bedürfnisse der Kunden besser zu befriedigen. Sollte der neue Paypal-Dienst ein Erfolg werden, werden die ECR-Softwareanbieter den Service sicherlich in ihre Kassensysteme integrieren. In Anbetracht der aufkommenden Wallet-Systeme wie Google Wallet, V.me oder MasterPass, wäre es ein vergleichsweise kleiner Aufwand, die ECR-Software um ein Foto eines Käufers zu erweitern.

Meiner persönlichen Meinung nach wird diese Paypal-Lösung den Markt eher nicht umkrempeln. Es ist eine spannende Idee, Paypal-Händler bekommen damit eine weitere Möglichkeit, ihren Kunden eine positive Erfahrung zu bieten. Das sind tolle Neuigkeiten. Der praktische Nutzen ist mir aber noch nicht so klar: Kleinere Händler werden ihre Stammkunden wahrscheinlich sowieso erkennen. Und je größer das Geschäft desto weniger kundenfreundlich ist das System. Solche Systeme haben in einigen Bereichen Potenzial, und auf lange Sicht wird die Identifikation einer Person über mobile Geräte sicherlich an Bedeutung gewinnen, aber ob sich die Gesichtserkennung durch einen Kassierer durchsetzen wird, bleibt abzuwarten.

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